Vision Zero

Seit am letzten Dienstag die Germanwings-Maschine in den französischen Mittelmeer-Alpen abstürzte, sind in Deutschland etwa 55 Menschen im Straßenverkehr gestorben*. Doch ausser in den Lokapresse wird man kaum von ihnen lesen, außer den Angehörigen und anderer persönlich Betroffener wird kaum jemand um sie trauern, eine Trauerfeier im Kölner Dom erscheint abwegig.
Im Straßenverkehr sterben viel mehr Menschen als in der Luftfahrt. Die meisten davon sind Autoinsassen, aber auch Motorradfahrer, Radfahrer und Fußgänger sind betroffen. Und dennoch wird auf unseren Straßen weiterhin gerast, ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen scheint in weiter ferne zu liegen, ebenso wie Tempo 30 innerorts wohl weiterhin nur in begrenzten Wohngebieten zu finden sein wird. Und während über den Gesundheitszustand des Germanwings-Copiloten spekuliert wird, fahren in Deutschland weiterhin Menschen nach Alkohol- oder Medikamentenkonsum Auto, womöglich sogar krankgeschrieben und total übermüdet

Dabei gibt es bereits  seit den Neunzigern unter dem Titel „Vision Zero“ Konzepte, den Straßenverkehr sicherer zu machen, mit dem Ziel, in Zukunft einmal keine Verkehrstoten verzeichnen zu müssen. Diese Konzepte zeichnet sich vor allem durch zwei Grundbedingungen aus:

  • „Der Mensch macht Fehler. Das System Verkehr muss mit diesen Fehlern rechnen und sie verzeihen. Aus diesem Prinzip folgt, dass Verkehrssicherheit zur gesellschaftlichen Aufgabe werden muss, in die unter anderem auch die Automobilindustrie, die Bauverwaltung und die Versicherungen einbezogen werden.
  • Die Belastbarkeit des menschlichen Körpers werden zum entscheidenden Maßstab. Unfallfolgen dürfen auch im schlimmen Fall nicht mehr tödlich sein.“

(Quelle: VCD – dort ist auch der VCD Masterplan Vision Zero von 2009 zu finden)

Sind wir zu sehr „Autoland“, um diese realistische Vision Wirklichkeit werden zu lassen, hat uns der „Virus Auto“ wirklich so im Griff, dass wir zwar die 150 Toten des Germanwings-Absturzes betrauern, die Tausenden Straßenverkehrstoten uns gesellschaftlich  aber als Kollateralschäden akzeptabel erscheinen?

*Statistisch gesehen, mit Zahlen von 2014 gerechnet

Barcamp Berlin – mein Bericht

Letzten Freitag machte ich mich also auf den langen Weg nach Berlin, um das dortige Barcamp zu besuchen und ich darf gleich zu Beginn sagen: die Strapazen haben sich gelohnt. Dazu gehört sicher, dass die Zugfahrt von Stuttgart nach Berlin dank umstiegsfreier Verbindung schon mal bis auf wenige Minuten Verspätung problemlos verlief. Den Fußweg vom Ostbahnhof zu meiner Unterkunft, dem Motel One am Spittelmarkt, konnte ich nach dem langen Sitzen im ICE nutzen, um gleich mal die Gegend um den Veranstaltungsort, die Evangelische Schule Berlin Zentrum, zu erkunden.

Blick vom Hotelzimmer - Guten Morgen, Berlin!
Blick vom Hotelzimmer – Guten Morgen, Berlin!

Leider gab es krankheitsbedingt keinen offiziellen Vorabendevent am Freitag, aber dennoch haben sich einige Barcamp-Teilnehmer (und wie sich am Samstag herausstellte, auch jemand, der leider nicht mehr am Barcamp teilnehmen durfte, obwohl sicher noch genug Platz da gewesen wäre) im Cafe Bilderbuch in Schöneberg eingefunden. Dank geht hier an Sven für die Organisation des Abends. Es wurde ein sehr netter solcher mit vielen interessanten und freundlichen Bekanntschaften, inklusive eines gemeinsamen Besuchs bei Curry 36 zum Abschluss. Die Wurst dort hat mich eher enttäuscht (aber ich bin ja auch Wurstdurst-verwöhnt!). Immerhin war damit das Touristenprogramm auch abgehakt. Da ich mich für den Samstag als Aufbauhelfer gemeldet hatte, blieb ich dem Berliner Nachtleben am Freitag fern und fuhr zurück zum Hotel.

Die Ruhe vor dem Sturm
Die Ruhe vor dem Sturm

Der Samstag morgen startete ein wenig schleppend, weil versehentlich entkoffeinierter Kaffee besorgt wurde und sich die Zeit, bis das gelbe Lichtlein bei der ersten Maschine mit richtigem Kaffee anging, sehr lange hinzog. Doch nach dem Frühstück ging es dann mit leichter Verspätung endlich los, wir konnten in die Vorstellungsrunde (meine Hashtags waren dieses mal #Segeln #Mobilität und #Nürnberg) und die Sessionplanung einsteigen. Der Link zum Timetabler zeigt Euch die Vielfalt und Breite der angebotenen Sessions. Ich selbst hatte aber erst einmal eine andere Mission: da ich angeboten hatte, einen Session zum Thema „Schuhe binden und Seemansknoten“ zu machen, suchte ich erst einmal in der Umgebung nach ein paar Tampen oder ähnlichem. Die freundliche Dame in einem benachbarten Schreibwarengeschäft schenkte mir ein Stück Schnur, was mich zuerst, vor allem wegen der freundlichen Geste, sehr begeisterte.

Rettungsgerät
Rettungsgerät – Mißbrauch strafbar!

Aber in der Mittagspause zog ich nochmal los und kaufte in einem Supermarkt ein paar bunte runde Schnürsenkel, die letztlich zweckmäßiger waren. Die lange Rettungsleine an einem Rettungsring am Spreeufer war zwar sehr verlockend. Doch Vorsicht: Missbrauch strafbar!

Vorher ging ich noch in die „Web Development – Ask me Anything“-Session von @derrabus. Hilfreicher Input zum Thema Frameworks und IDEs.

Mittagspause #bcber 2015

Nach der Mittagspause (mit Einkaufstour, wie erwähnt) ging es gleich nochmal an die Spree, wo die Digital Media Women sich vorstellten. Schließlich galt es auch, das schöne Wetter zu genießen:

In der nächsten Session diskutierten wir die Zukunft der deutschen Industrie im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Welt. Für die dominierende Automobilindustrie sahen viele schwarz. Interessante Diskussion.

Wir binden uns die Schuhe
Wir binden uns die Schuhe

Anschließend folgte meine eigene Session „Schuhe binden und Seemannsknoten“. Etwas vorbereitet war ich ja mittlerweile, aber zum nächsten Barcamp bringe ich dann wohl richtige Tampen von Zuhause mit. Es war jedenfalls schön, in glückliche Gesichter von Menschen schauen zu können, die gerade den Palstek gelernt hatten oder ähnlich wie ich damals, endlich erfahren haben, dass sie ihre Schuhe bisher nicht ganz richtig geschnürt hatten, es aber jetzt richtig machen können. Ich denke, ich werde eine solche Session beim nächsten Barcamp wieder anbieten. Schließlich gibt es sogar TED Talks zu diesem Problem.

Verschiedene Katastrophenszenarien sowie Fluchtrucksäcke waren das nächste Thema. Wir durften Überlebensrationen probieren (Geschmackssache…) und diskutierten angeregt die verschiedenen Szenarien. Eine Zombieapokalypse wurde nicht thematisiert. Magnetische Stürme („Sonnenstürme“) erscheinen da durchaus als wahrscheinlichere Bedrohung für einen Kollaps der durchtechnisierten Zivilisation, wie wir sie derzeit kennen.

Nach dem Abendessen sprachen wir in einer sehr aufschlussreichen Abendsession von Jan Krämer über Schlaf und schauten anschließend noch ein paar TV-Serien-Empfehlungen an, wobei hier aber wenig interessantes für mich dabei war. Naja, auch bei Serien gilt: Geschmäcker sind verschieden. Dazu gab es übrigens (statt Bier…) gesponsortes Havelwasser, eine Mischung aus Weißwein und Birnensaft. Gar nicht mal so schlecht, wenn auch etwas zu süß.  Ich bin dann nach dem erlebnisreichen Tag auch wieder ohne erweitertes Nachtleben ins Hotel zurück, um mich richtig auszuschlafen. Das unten erwähnte Feuerwerk habe ich noch gehört. Note to Self: beim nächsten Barcamp Backup-Plan für Werwolf-Session bereit halten, falls Her Gassner wieder nicht vor Ort ist. 

#Berlin ist, wenn aus heiterem Himmel vor Deiner Kneipe jemand ein #Feuerwerk zündet. #bcber

Ein von Christian Wohlabe (@wohli_berlin) gepostetes Foto am

Am Sonntag ging es nach dem leckeren Frühstück und viel Kaffee wieder raus an die frische Luft, um gemeinsam mit @pepperman die „Zukunft der Energie“ zu diskutieren, wobei er uns auch hier schon für seine Folgesession zum Thema „Tesla-Boss Elon Musk“ anteaserte, die ich später ebenfalls besuchte. Etwas Wehmut kam bei mir in dieser auf, als ich Hermann Scheer im Filmausschnitt von „Die 4. Revolution“ sah.

Doch zuvor schaute ich mir noch einige erschreckende Fälle von User Bashing in der Session von @heikegallery an, in der man einiges über gutes und schlechtes Community Management lernen konnte. Zurücktrollen ist jedenfalls keine Option…


In meiner letzten Session von Susanne Ullrich und Bettina Thies stellten wir unsere Lieblings-Apps vor. Leider hat das Wlan für mich an dieser Stelle etwas geschwächelt, so dass ich mir Notizen machte, anstatt die Apps gleich auf das Smartphone zu übertragen. Aber es waren einige Anregungen dabei, unter anderem werde ich mal Allryder testen, obwohl deren Werbung auf Twitter eigentlich eher nervt. Daher auch kein Link an dieser Stelle. Nach der Abschluss-Session und dem Aufräumen stand mir noch die lange Rückreise bevor, doch dank der DVD von „The Secret Life of Walter Mitty“ verging auch diese Fahrt fast wie im Fluge.

Was habe ich bei diesem Barcamp gewonnen? Viele nette Bekanntschaften und vor allem wohl die Erkenntnis, dass es sich wirklich immer lohnt, eine eigene Session anzubieten, und wenn das Thema auch noch so abwegig oder gar lächerlich erscheinen mag. Bei meinen letzten beiden Barcamps hatte ich keine eigene Session angeboten und danach auch das Gefühl, dass irgendwie etwas gefehlt hat. Schön war auch, dass ich dazu beitragen konnte, einige Barcamp-Neulinge davon zu überzeugen, eine eigene Session anzubieten. Leider habe ich an keiner dieser Sessions selbst teilgenommen. Oft wünsche ich mir bei Barcamps, mich klonen zu können, um nichts interessantes zu verpassen.

Für mich war das Barcamp Berlin jedenfalls ein voller Erfolg. Vielen Dank an Jan Theofel für die Organisation und das Durchhalten trotz der angeschlagenen Gesundheit. Dankeschön auch an die Sponsoren des Barcamps.

Hier noch ein weiterer Bericht beim Sponsoren Brandwatch, dem ich dank der Ticket-Verlosung ja überhaupt erst zu verdanken habe, dass ich noch am ausgebuchten Barcamp teilnehmen konnte.

…beyond all recognition

Am siebten und achten März 2015 findet das vierte Barcamp Berlin statt und ich gehe hin! Als ich zum erstem mal von dem Termin hörte, waren die Tickets bereits ausverkauft, aber dank einer Verlosung beim Sponsor Brandwatch kam ich gerade noch an eine Eintrittskarte.

Nun habe ich Bekannten, Freunden und Familienmitgliedern erzählt, dass ich nach Berlin „zum Barcamp“ fahre und habe nicht selten in fragende Gesichter geblickt: „Barcamp?!“ Deshalb empfehle ich Euch das folgende kleine Video, in dem ganz gut erklärt wird, wie ein Barcamp funktioniert. Die Stimme in diesem Video stammt übrigens von Jan Theofel, der das Barcamp Berlin ebenso wie das Barcamp Stuttgart und viele weitere Barcamps organisiert und organisiert hat.

Etwas mehr zum Hintergrund dieser Veranstaltungsform einer „Unkonferenz“ findet man zum Beispiel auch bei Wikipedia. Für mich einer der spannendsten Aspekte: beim Barcamp soll es keine reinen Zuschauer geben, alle Teilnehmer sind dazu aufgerufen, genau dies zu tun,  nämlich teilzunehmen, indem sie zum Beispiel eine eigeneSession anbieten. Das Barcamp erinnert mich ,mit diesem „No Spectators“-Aufruf immer auch ein wenig an Burning Man, wobei sich in der Weite der Wüste von Nevada natürlich ganz andere Ausdrucksformen bieten.

Beitragsbild: Ausschnitt, by Josh Hallett from Winter Haven, FL, USA (BarCamp Orlando) [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons

Was Scharfes am Samstag: Feuertopf im Ba Shu

Von Chinareisenden hört man immer wieder, dass es dort in Restaurants üblich sei, einfach für die entsprechende Menge an Personen Essen zu bestellen und dann eine Zusammenstellung verschiedenster Gerichte zu bekommen, bei der sich alle bedienen können, oft sogar an runden Tischen mit drehbarer Platte. Solche Tische gibt es zwar auch bei uns in einigen Chinarestaurants, doch die Karte bietet ein solch bunt gemischtes Menü meistens eher nicht.

Am Wochenende haben wir mit Freunden in Nürnberg aber eine Erfahrung gemacht, die dem chinesischen Vorbild wohl sehr nahe kommt. Wir besuchten das Ba Shu in der Südstadt, das sich der Küche Szechuans verschrieben hat. Dort waren wir schon öfter zu Gast, wählten bisher aber immer „normale“ Gerichte von der Karte, meist in Verbindung mit mehreren leckeren, hausgemachten Dim Sun. Dieses mal aber wagten wir uns zu fünft an den Feuertopf (vorbestellen!). Man könnte das Ganze wohl am ehesten mit dem Fondue bourguignonne vergleichen, wo verschiedene Fleisch- und Gemüse Sorten in Brühe oder Öl gegart werden. Beim Hot Pot im Ba Shu wird auf einem Kocher ein Topf mit zwei verschiedenen Brühen gereicht, in der einen Hälfte befindet sich eine mildere Brühe, in der anderen eine sehr scharfe und kräftig gewürzte. Anders als wir es vom Fondue gewohnt sind, werden die weiteren Zutaten – hier waren es Rind- und Hühnerfleisch, Garnelen und Tintenfisch sowie Pilze, Tofu, Kartoffeln und Chinakohl – einfach in den Topf hinein gegeben und nach dem Garen wieder mit kleinen Kellen herausgefischt und aus kleinen Schalen gegessen, zusammen mit zwei weiteren schmackhaften Saucen und frischem Koriandergrün. Das Prozedere empfand ich kommunikativer als wenn jeder seinen eigenen Spieß in die Brühe taucht und es machte und allen auch viel Spaß.  Man kocht quasi gemeinsam. Außerdem hat es wirklich sehr lecker geschmeckt, die scharfe Brühe ist in der Tat sehr „hot“, aber die Schärfe erschlägt den Geschmack der Zutaten nicht. Die andere Brühe bezeichnete der Kellner als „Variante für Europäer und Kinder“, sie war auch ok.

Der Feuertopf ist also eine absolute Empfehlung, das Restaurant Ba Shu sowieso, denn auch die anderen Gerichte und vor allem die unterschiedlichen Dim Sun sind sehr köstlich.

Zu dem Artikelbild, das ich von Wikimedia ausgeliehen habe, da ich kein eigenes im Restaurant gemacht hatte, vielleicht noch eine Anmerkung: dort scheinen wohl im Gegensatz zu unserer Erfahrung Spieße für die Fleischscheiben verwendet worden zu sein. Unser Topf sah allerdings ganz ähnlich aus und hatte auch diese „Yin Yang“-Teilung. Das Bild  basierend auf „MaLaTang“ von linan0827 – linan0827. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons