Dem Erfinder des „achten Weltwunders“ zum 115. Todestag

Jeder kennt Johannes Gutenberg, der als Erfinder des modernen Buchdrucks gilt. Und viele wissen, dass es Tim Berners-Lee war, der uns mit der Erfindung von HTML das World Wide Web beschert hat. Doch ein weiterer Tüftler ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl Thomas Edison seine Erfindung sogar als „achtes Weltwunder“ bezeichnet haben soll. Sie war für die Informationstechnologie ihrer Zeit jedenfalls ein ähnlich wichtiger Meilenstein wie Gutenbergs bewegliche Lettern oder Berners-Lees Markup Language. Die Erfindung war die Linotype-Setzmaschine, der Erfinder ein in die USA ausgewanderter Uhrmacher aus dem Königreich Württemberg. Heute vor 115 Jahren, Am 28. Oktober 1899, starb Ottmar Mergenthaler in Baltimore im Alter von nur 45 Jahren an Tuberkulose.

Briefmarke zum 100. Geburtstag von Ottmar Mergenthaler
Briefmarke zum 100. Geburtstag von Ottmar Mergenthaler

Als ich Anfang der Neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts meine Ausbildung zum Schriftsetzer begann, trug die Berufsbezeichnung schon die Erweiterung „Fotosatz“. Die Bleilettern, mit denen jeder den Beruf des Schriftsetzers verbindet, kannte ich nur noch aus der Berufsschule oder aus dem beinahe musealen Keller meines Ausbildungsbetriebs. Dort im Keller standen noch einige Setzkästen. Und  auch „eine Linotype“, längst nicht mehr in Betrieb und kräftig eingestaubt. Und obwohl für uns Azubis damals Photoshop (Version 2.5!) weitaus spannender war, die täglich genutzten Werkzeuge Filmbelichter und Postscript hießen,  erweckte das Antiquariat durchaus eine ehrfürchtige Neugier.  Welch revolutionäre Neuerung dieses Ding mehr als 100 Jahre zuvor aber darstellte, war mir mit Anfang zwanzig noch nicht bewusst. Erst als ich einmal durch Zufall im Spätprogramm der Öffentlich-Rechtlichen über den Fim „Park Row“ (Trailer auf Youtube) von Samuel Fuller  gestolpert war, erahnte ich die Bedeutung der damaligen Erfindung.

Linotype-Setzer bei der Arbeit
Die Technik, die schon andere vor ihm ausprobierten, die aber erst Mergenthaler zu einer praxistauglichen Maschine vollenden konnte, beruht darauf, mittels einer schreibmaschinenähnlichen Tastatur ganze Zeilen (Lines) von Lettern (Type) in Blei zu gießen: Diese Line o‘ type gab der Maschine auch ihren Namen. Dank Mergenthalers Setzmaschine konnten vor allem Zeitungen viel schneller und auch umfangreicher erstellt werden und letztendlich auch öfter erscheinen.  Denn mit Hilfe der Linotype konnte ein Setzer 6.000 bis 10.000 Zeichen pro Stunde „abliefern“, beim Handsatz aus einzelnen Typen ging man bei einem gelernten Schriftsetzer von einer Geschwindigkeit von etwa 1.500 Zeichen pro Stunde aus. Die Linotype und ähnliche Maschinen beherrschten den Satz und die Druckereien fast für die nächsten 100 Jahre. Erst in den Sechziger und Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wichen sie langsam dem Fotosatz, welcher im Vergleich dazu eine relativ kurze Karriere hatte und ab Anfang der Neunziger Jahre allmählich vom Desktop Publishing abgelöst wurde.

Beim Chaosradio gibt es Einen detaillierten Lehrfilm aus den Sechzigern über die Funktion der Linotype. Und 2012 erschien der Dokumeentarfilm über die Linotype, den ich noch nicht gesehen habe. Hier ein Trailer:

„Linotype: The Film“ Official Trailer from Linotype: The Film on Vimeo.

Eine Linotype-Setzmaschine, die für Besucher sogar noch angeworfen wird, könnt Ihr übrigens im Deutschen Technik-Museum Berlin erleben. Ebenso  in der Ottmar-Mergenthaler-Gedenkstätte in seiner Geburtsort Hachtel, heute ein Ortsteil von Bad Mergentheim. In meiner Geburtsstadt Bietigheim, in der Mergenthaler sein Handwerk als Uhrmacher lernte, bevor er 1872 in die USA auswanderte, ist mir leider keine Linotype-Maschine bekannt.

Perfektes Hochzeitsdatum für Unix-Fans!

Auch wenn „Schnapszahl-Ehen“, also Ehen, die an einem besonderen Datum geschlossen werden, im Vergleich öfter geschieden werden, könnte diese Woche die ideale Gelegenheit für Unix-Fans sein, in den Hafen der Ehe einzulaufen. Denn nach Unix-Zeit (gemessen in vergangenen Sekunden seit Donnerstag, dem 1. Januar 1970 00:00 Uhr UTC, ich berichtete dieses Jahr bereits darüber) feiern wir diesen Freitag, den 24. Oktober 2014 09:03:34 GMT (also 11:03:34 MESZ) die Unix-Zeit

1414141414.

Für abergläubische Unix-User, sollte es solche geben, ist dies eigentlich das ideale Hochzeits-Datum. Denn der Statistik schlägt man ein Schnippchen  – der 24. Oktober 2014 ist ja diesbezüglich kein besonderes Datum -und dennoch kann man zu einem leicht zu merkenden und runden Zeitpunkt heiraten.

Eclipse revisited – nach 24 Jahren

Heute war wieder irgendwo im Internet von Aufklärungsdrohnen in Form eines Vogels zu lesen.  Bei solchen Geschichten werde ich immer an ein Buch, beziehungsweise eine Trilogie erinnert, die ich vor 24 Jahren gelesen habe: die Eclipse-Trilogie (Eclipse / Eclipse Penumbra / Eclipse Corona) von John Shirley, auch bekannt als „A Song Called Youth“.

William Gibson nannte Shirley einmal den „Patienten Null des Cyberpunks“ und was letzterer in seiner zwischen 1985 und 1990 entstandenen dystopischen Trilogie  beschrieb, hat sich nicht nur bei so kleinen Details wie den vogelförmigen Aufklärungsdrohnen quasi als prophetisch erwiesen, sondern auch bei wichtigeren Themen, wie zum Beispiel dem wachsenden christlichen Fundamentalismus in den USA. Noch dazu bewegen sich Shirleys Geschichten in einem „bizarren Mix aus Pop, Politik und Propaganda“, den ich damals so ansprechend fand, dass ich sogar einige Nächte durchgemacht habe, um das Buch damals fertigzulesen.

Als ich nun also wieder mal von diesen Aufklärungdrohnen las, schaute ich mir mal den Wikipedia-Eintrag zu „A Song Called Youth“ an. Dort wird von einer Ausgabe aus dem Jahr 2012 berichtet. Und tatsächlich, John Shirley hat „A Song Called Youth“ überarbeitet und die Zukunft von 2020 in die Zukunft von 2039 verlegt, ohne dabei wohl jedoch all zu viel anpassen zu müssen. Für mich jedenfalls ist das eine gute Gelegenheit, die Trilogie nach mehr als 20 Jahren noch einmal „in Angriff“ zu nehmen. 20 Jahre, in denen vieles, von dem wir damals bei Shirley, Gibson oder Sterling, um nur drei Protagonisten des Cyberpunk zu erwähnen, als Science Fiction gelesen haben, zur Wirklichkeit wurde und teilweise sogar in unseren Alltag Einzug fand. So werde ich die 2012er-Ausgabe von „A Song Called Youth“ wie selbstverstänlich auf einem mobilen, elektronischen Lesegerät oder wahlweise auf meinem „Tablet-PC“ lesen, etwas, was genauso wie die flächendeckende Überwachung der Öffentlichkeit, schlichtweg noch Zukunftsmusik war.
[2014-12-15 – Edit: Amazon-Links entfernt]