Mittag um halb zwei

Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, auf die jährliche Tirade zur Umstellung der Uhren zu verzichten, zumal sich gestern sogar die BILD dieses Themas angenommen hat – und man sich mit diesem Schmierenblatt ja in keinster Weise gemein machen möchte.

Aber zwei nicht unbedeutende Aspekte, die mir dieses Jahr besonders ins Auge gefallen sind, möchte ich dennoch nicht unerwähnt lassen:

Beim Pflegen einer internationalen Termindatenbank wurde mir wieder einmal sehr ärgerlich bewusst, dass zum Beispiel in den USA und in Kanada die Zeitumstellung bereits Anfang März stattfindet, in Europa aber Erst Ende März, so dass bei regelmäßigen Terminen wie zum Beispiel TelefonSkype-Konferenzen mindestens für drei Wochen eine erneute Abstimmung darüber erfolgen muss, wann denn der Termin jetzt eigentlich stattfinden soll. Ein Problem, dass es ohne die Uhrumstellung einfach nicht gäbe.

Ein weiterer Aspekt, der mir bisher -zumindest in diesem Ausmaße -nicht  bewusst war: bekanntlich weicht die „Wahre Ortszeit“ (oder auch Sonnenzeit) durch die Verwendung von Zeitzonen ja an den meisten Orten von der gebräuchlichen Uhrzeit ab. Im Westen Deutschlands ist dies immerhin eine halbe Stunde, das bedeutet, die Sonne hat ihren höchsten Stand in Dortmund eine halbe Stunde vor Görlitz erreicht, nach mitteleuropäischer Zeit etwa um halb zwölf. [UPDATE 2014-03-31: andersrum wird natürlich ein Schuh draus: in Dortmund erreicht die Sonne ihren höchsten Stand eine halbe Stunde NACH Görlitz, also gegen halb Eins MEZ. Danke an Dentaku für den Hinweis. In Görlitz stimmen MEZ und „wahre Ortzszeit“ übrigens bis auf zwei Sekunden überein.]

Das erscheint ja noch einigermaßen akzeptabel, bedeutet aber, wenn man meint, man mache um „Zwölfe“ Mittagspause, steht im Westen die Sonne zur MESZ bereits auf 13:30. Noch drastischer wirkt sich das natürlich in den Ländern aus, die westlich von Deutschland liegen, so ist es in Bordeaux bereits 14:21 MESZ, wenn die Sonne am höchsten steht, an der Costa del Sol sollten Menschen, die die Mittagssonne meiden wollten, also auch nicht um 12 Uhr MESZ sondern gegen halb drei aus der Sonne gehen. Im Nordwesten Spaniens ist Mittag sogar erst um viertel vor drei.

Interessanterweise schaffen es zur Sommerzeit nicht mal die östlichsten Regionen der Mitteleuropäischen Zeitzone, den höchsten Sonnenstand zur Mittagszeit erreicht zu haben, auch im Kosovo zum Beispiel ist es schon halb eins, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat.

Nun wage ich zu bezweifeln, dass wir in absehbarer Zukunft je auf die Verwendung von Zeitzonen verzichten werden, auch wenn dies in Zeiten von GPS und Internet vermutlich technisch ein Leichtes wäre, aber die Zeitumstellung verstärkt eben die Abweichung der wahren Ortszeit von der Zonenzeit an vielen Orten – und diese Umstellung ist ja, wie wir mittlerweile wissen, schlichtweg unnötig.

Alles Gute zum Frühlingsanfang!

Heute, am 20. März 2014 wird um 17:57 MEZ die Tag-und-Nacht-Gleiche erreicht und damit beginnt astronomisch gesehen offiziell der Frühling! Auch dieses Jahr heiße ich den Frühling natürlich herzlich willkommen, doch selten hatte ich ihn so herbeigesehnt wie 2013. Der Winter 2012/2013 lag in Stuttgart mit 131,4 Sonnenstunden nur bei 63% im Vergleich zum Mittelwert der Jahre 1981 bis 2010, während der Winter 2013/2014 mit 270,5 Sonnenstunden bei 129% im Vergleich zu diesem Zeitraum lag. Doch erst der Frühling 2013 war so richtig schlimm, auch hier wurden nur 63% der Mittelwerte von 1981 bis 2010 erreicht. Zu Ostern 2013 war ich fast so weit, alle familiären Verabredungen abzusagen und einfach irgendwohin in die Sonne zu fliegen. Nie zuvor habe ich mal so unter der Dunkelheit und den trüben Tagen gelitten. das war eine recht befremdliche Erfahrung. Es fiel mir auch echt schwer nachzuvollziehen, wie die Menschen den Winter in den Ländern aushalten, die noch viel kürzere Tage haben als wir im Südwesten Deutschlands.(Alle Zahlen von Wetterkontor.de)

 

Hopfenblüte – cc-by-sa-2.5: Bernd Haynold

Das Jahr 2014 zeigt sich also bisher eher von der versöhnlichen, der Sonnenseite. Ich genieße jede Minute an der fischen Luft und hoffe natürlich, dass es noch eine Weile so sonnig bleibt, auch wenn wir nicht vergessen sollten, dass das trockene Wetter auch eine hohe Waldbrandgefahr mit sich bringt. Ich fürchte auch, für die Landwirtschaft und allgemein für die Natur war der „schöne März“ viel zu trocken.

Kinotipp: The Grand Budapest Hotel

Zum zweiten mal besuchte ich heute das Filmkunsttheater Casablanca in Nürnberg – und auch dieses mal spielte Tilda Swinton in dem heute gesehenen Film eine Rolle. Im Gegensatz zu „Only Lovers Left Alive“ ist es allerdings in Wes Andersons Film „The Grand Budapest Hotel“ eine eher kleine, wenn auch für die Handlung sehr bedeutende Rolle. Sie spielt die 84-jährige reiche Witte Céline Villeneuve Desgoffe und Taxis, genannt Madame D., die unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt. Daraufhin entbrennt um ihr Erbe eine abenteuerliche Geschichte. Doch zum Inhalt von „The Grand Budapest Hotel“ möchte ich gar nicht viel verraten, verweise aber gerne auf den Wikipedia-Artikel zu dem Film.

Wes Anderson hat mit seinem neunten Langfilm jedenfalls wieder ein opulentes Meisterwerk voller Anspielungen, Zitate und liebevoller, ja perfekt ausgearbeiteter Details geschaffen, das mich in seiner Skurilität an seinen Film „The Life Aquatic with Steve Zissou“ (deutscher Titel: Die Tiefseetaucher) erinnerte. Während „The Life Aquatic“ eine offensichtliche Hommage an Jaques Cousteau darstellt, ist „The Grand Budapest Hotel“ inspiriert von den Schriften Stefan Zweigs, was uns Wes Anderson sogar im Abspann des Films mitteilt. Die Geschichte selbst ist größtenteils in einem fitkiven mitteleuropäischen Land angesiedelt und soll vor dem zweiten Weltkrieg spielen, würde aber teilweise eher in die wirren Jahre vor dem Ersten Weltkrieg hineinpassen. Der Film erhebt allerdings keinerlei Anspruch auf historische Genauigkeiten. 

Wie gesagt, fast allen Wes Anderson-Filmen sind voll von witzigen Anspielungen mit viel Liebe zum Detail. Ein schönes Beispiel aus „The Grand Budapest Hotel“ ist das Gemälde „Junge mit Apfel“, das extra für den Film gemalt wurde. Als das wertvolle Bild „entwendet“ wird, ersetzen es die Diebe, wenn man sie so nennen kann, mit einem weiteren, extra angefertigten Bild, das jedoch sehr stark an das Werk Egon Schieles erinnert.

Als Vorflim (Yeah, mehr Vorfilme!) lief an diesem Abend im Casablanca übrigens das kurze Stück „Castello Cavalcanti„, das Wes Anderson für Prada gedreht hat. In „Castello Calvacanti“ spielt Jason Schwartzman einen Rennfahrer bei einem Rennen namens „Molte Miglia“. Schwartzman spielt auch in „The Grand Budapest Hotel“ eine kleine Rolle, er gehört ja zu einem der Schauspieler, mit denen Wes Anderson immer wieder zusammenarbeitet. Schwartzman spielte übrigens auch in dem ersten Wes Anderson-Film mit, den ich je gesehen habe: „Rushmore„. 

 

Freibier? Getty Images öffnet seinen Bildbestand, aber…

Der Bilderdienst Getty Images stellt 35 Millionen Bilder für die Verwendung in nicht-kommerziellen Blogs und anderen Websites zur Verfügung. Die Bilder werden eingebettet und so dient die Maßnahme vor allem der Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen. Man öffnet als Website-Betreiber damit allerdings auch Dritten (Getty) einen Weg, die Besucher der eigenen Site zu tracken. Und auch die Möglichkeit, Werbung über diesen eingebetteten Kanal einzublenden sieht Getty Images vor. Man kann sich also als Website-Betreiber nicht uneingeschränkt auf die Darstellung verlassen. Dennoch: erst einmal Prost!


Mehr dazu bei Medienrauschen und beim British Journal of Photography (via Frank Stohl)

Von Himalayasalz, Barcodeentstörung und anderem Schlangenöl

Im WRINT Realitätsabgleich (Folge 224) stolperten Toby und Holgi über den Begriff Schlangenöl – Toby kannte ihn tatsächlich nicht. Schlangenöl, die meisten meiner Leser werden es wissen, ist ein Begriff „für ein Produkt, das wenig oder keine echte Funktion hat, aber als Wundermittel zur Lösung vieler Probleme vermarktet wird“ (Wikipedia). Und da habe ich hier hinten beim Bier in der Themensammlung ein paar Beispiele, die ich mit Euch teilen möchte. Wobei mir es hier nicht um die Verwendung des Begriffs Schlangenöl im Software-Bereich, also Anti-Viren-Software oder ähnliches geht, sondern eher um Beispiele aus dem Esoterik-Bereich

Neulich habe ich zum Beispiel von Himalayasalz gelesen, welches als Allheilmittel gegen Zivilisationskrankeiten angepriesen und als Mittel gegen „Fehlernährung“ verkauft wird, wobei noch nicht einmal die angeblichen „84 chemischen Elemente“ enthalten sind, sondern es sich zumeist schlicht um nicht raffiniertes und verunreinigtes Bergsalz handelt, das übrigens auch nicht aus dem Himalaya, sondern aus dem pakistanischen Punjab oder vereinzelt sogar aus Polen stammt. Immer wieder erstaunlich, wie sich Menschen solche Dinge ohne tatsächliche Wirkung (vom Placebo-Effekt einmal abgesehen) für einen vielfach überhöhten Preis aufschwatzen lassen.

Ein weiteres Beispiel aus diesem Bereich, wenn auch schon etwas älter: es gibt tatsächlich Leute, die Barcodes, wie sie auf Produktverpackungen abgedruckt sind, für gefährlich halten. Die Striche würden wie eine Antenne funktionieren, „böse Strahlung“ oder andere Energien aus der Umgebung aufnehmen und sogar an die in der Verpackung enthaltenen Lebensmittel abgeben. Und jetzt kommts: um diese Gefahr abzuwenden, sei es ausreichend, den Barcode zu „entstören“, indem man einen waagrechten Strich drüber drucke…  Der österreichische Kräuterhändler Sonnentor hat  dies beispielsweise eine Zeitlang gemacht, mittlerweile aber wieder Abstand davon genommen. Dennoch wird weiterhin von einer „Entstörung“ gesprochen.

Unter dem Namen Bach-Blütentherapie wird ja gerne mal Leitungswasser zu einem Literpreis von bis zu 780 Euro verkauft. Wenn dann aber behauptet wird, damit können man sogar das Trauma einer Kindesmisshandlung, einer Scheidung oder Depressionen heilen, frage ich mich schon, ob man sowas noch als redlich akzeptieren muss. Mehr dazu in einem Artikel bei Scienceblogs. Die Bachblütenmischung „gegen Kindesmisshandlung“ wurde zwar kurz nach Erscheinen des Artikels und ähnlicher Meldungen vom Markt genommen, die anderen oben erwähnten und viele ähnliche sind aber noch immer erhältlich.

 Ein guter Anlass, wieder einmal „STORM“ von Tim Minchin zu posten: