Funktioniert Protest?

Brokdorf und die Startbahn West wurden gebaut, Mutlangen bekam „seine“ Pershings und Wackersdorf wurde, dank La Hague eigentlich nur überflüssig, der Castor kam bis jetzt noch jedesmal (immer teurer als nötig) in Gorleben an, so dass ich mich frage, ob und wie mit öffentlichem Protest überhaupt etwas erreicht werden kann in unserem wohl nur noch bedingt demokratisch funktionierenden Staat. Die Proteste gegen die obigen Einrichtungen waren, laut meinen Kindheitserinnerungen, durchaus große Dinger, und auch die vorletzten „Stoppt Castor“-Proteste waren ein mediales Großereignis – beim letzten war ein Wechsel an der Spitze eines größeren deutschen Telekommunikationsunternehmens schon wichtiger.

Während man sich bei den Castor-Protesten durchaus fragen kann, was damit eigentlich direkt bezweckt werden soll (sollen sie das Teil eigentlich einfach auf halber Strecke stehen lassen? Die Anwohner würden sich wohl zu recht beschweren) und auch die Militanz bei solchen Aktionen eher ins kontraproduktive umschwingt, da sie den Rückhalt in der Bevölkerung, sofern vorhanden, nur schwächt, ist es doch erschreckend, dass Industrie und Politik bei uns ihre Ziele scheinbar fast immer durchsetzten können.

Auch mit Blick auf Johnny Häusslers Artikel „Nicht sehr weit“ hat mich eine kleine Nachricht bei boing boing vor kurzem sehr tief bewegt: der 50 jährige Malachi Ritscher, ein Musiker aus Chicago, wählte eine sehr grausame und endgültige Methode, um gegen den Krieg im Irak zu protestieren: er verbrannte sich am Morgen des 3. Novembers öffentlich selbst. Auch wenn aus seinem selbst verfassten Nachruf eine tiefe Einsamkeit spricht, werden in seinem „Mission Statement“ genannten Abschiedsbrief die wahren Motive für seinen Selbstmord deutlich. Er fordert für sich das Recht ein, seinen Todeszeitpunkt selbst zu bestimmen und findet ihn auf gewisse Art auch „sinnvoll“ – zumindest sinnvoller, als zum Beispiel von einem betrunkenen Autofahrer überfahren zu werden. Irgendwo sicher wahr, aber trotzdem krass. Ich denke, man muss wirklich hinter seinem Anliegen stehen, um seinen Abgang auf so grausame Art zu inszenieren.

Krass fand ich allerdings auch, dass ich über das Thema Selbsverbrennung neulilch schon mal nachdachte. In Deutschland, wo sich vor wenigen Wochen ja ein evangelischer Geistlicher in Erfurt anzündete, um seiner „Sorge vor der Ausbreitung des Islam“ Ausdruck zu verleihen, und sowas kaum Aufmerksamkeit erregt, müssten sich wohl gleich mehr als zwei Menschen verbrennen, damit dies auch nur länger als eine Nachrichtensendung in dem Gedächtnis der Menschen bliebe. Ich könnte und wollte das sicher nicht.

Aber ich kann wenigstens auch hier einen kleinen Beitrag dafür leisten, dass Malachi Ritschers Protest gegen diesen schrecklichen Irak-Krieg nicht ungehört verhallt:

I heard you, Malachi!

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