Sei es die katastrophale Fehlplanung beim neuen Großflughafen in Berlin/Brandenburg oder die inflationsartige Kostenexplosion bei der Stuttgarter Bahnhofsverbuddelung – in der öffentlichen Diskussion entsteht der Eindruck, in Deutschland könne man keine Großprojekte mehr umsetzen. In „Vorzeigestaaten“ wie Dubai oder China wäre so etwas viel einfacher und man müsse vor allem auch das deutsche Planungsrecht anpassen, um Großprojekte in Zukunft besser meistern zu können, ist aus den Kommentarspalten ebenso zu hören wie aus den Reihen der Bauunternehmer. Wir wollen mal nicht genauer unter die Lupe nehmen, wie in solchen Ländern das Geld für solche Projekte herbeigeschafft wurde und wie es mit dem Arbeitnehmer- oder Umweltschutz dabei aussieht.
Doch ich finde alleine schon den Gedanken, solche Großprojekte seien für die Gesellschaft von besonderem Nutzen, oder gar unabdingbar, sehr gefährlich. Denn eigentlich sind ja gerade kleine und dezentrale Strukturen die Lösung für viele der heutigen Probleme, vor allem was den Flächenverbrauch oder andere Umweltzerstörungen betrifft. Schauen wir uns zum Beispiel einmal die Energieversorgung an: die Wirtschaft und ihr hörige Teile der Politiklandschaft fordern den dringenden Ausbau des Stromnetzes. Doch auch hier gilt es, genauer hinzuschauen, denn gerade kleine, dezentrale Kraftwerke, die die Energie dort erzeugen, wo sie benötigt wird, bieten gegenüber zentralen Großkraftwerken immense Vorteile (die Kraft-Wärme-Kopplung ist hierfür nur ein Beispiel, der geringere Leitungsverlust ein weiterer). Und überhaupt wissen wir ja, dass wir Energie einsparen müssen, wo immer es geht. Leider wird dies nicht wirklich überall praktiziert. Im Gegenteil, gerade die Großprojekte gelten zumeist als potentielle Energiefresser. Am Beispiel von Stuttgart 21 kann dies schon das kleine Kind erkennen: durch notwendige Entlüftung und Beleuchtung muss der Kellerbahnhof mehr Energie verbrauchen als der noch für Dampf- und Dieselloks ausgelegte Kopfbahnhof, der zumeist mit Tageslicht beleuchtet werden kann.
So ist die alte Weisheit, dass Investitionen in Infrastrukturprojekte sich auf jeden Fall immer lohnen, meiner Meinung nach sehr kurzsichtig. Gerade bei Infrastrukturprojekten sollte genau darauf geschaut werden, ob diese sinnvoll sind und eine nachhaltige Mobilität ermöglichen, oder im Gegenteil nicht sogar Fehlentwicklungen zementieren oder Mittel binden, die für die Weiterentwicklung dezentraler Strukturen viel effektiver eingesetzt werden könnten. Die Sorgen, der immense Mitteleinsatz in Stuttgart könne anderswo den Ausbau, ja sogar den Erhalt des Regionalvekehrs kannibalisieren, bewahrheiten sich teilweise schon heute.
Auch dem Vorwurf, es gäbe so viele Probleme, weil man immer gezwungen sei, das Projekt auszuschreiben und den billigsten Anbieter auszuwählen, greift meiner Meinung nach nicht. Denn wenn die Ausschreibung präzise genug ist (zum Beispiel in Bezug auf den Umweltschutz und den Ressourcenverbrauch) und das Projektmanagement eventuelle Risiken schonungslos bei der Planung berücksichtigt, dürfte auch ein weitaus realistischer Preis- und Zeitrahmen entstehen. Natürlich steigert eine solche professionelle und gründliche Vorgehensweise die Kosten bereits im Vorfeld, eben auf eine realistischere Größe als es der politisch gewollte Preis meist darstellt. Doch große Projekte kosten eben auch großes Geld – und sind schon gar nicht zum Nulltarif zu haben, wie man es zum Beispiel in den Anfangstagen von Stuttgart 21 behauptete. Hier ist also nicht die Änderung von Planungsrechten gefragt, viel wichtiger wäre Ehrlichkeit bei den Überlegungen, ob sich bestimmte Großprojekte finanziell und gesellschaftlich lohnen und ob sie über einen gemutmaßten Prestigegewinn hinaus überhaupt sinnvoll sind. Die Zeiten, in denen „größer“ immer auch gleich „besser“ bedeutete, sollten wir hinter uns haben.